Reduktive Objektivität - Ein Gegenansatz zur paradigmengetriebenen Entscheidungsfindung
bobloblaw, Dienstag, 29. November 2016, 00:15
Kapitel I: Logik
Was ist Logik?
Diese Frage ist zentraler und weniger trivial als sie zunächst erscheinen mag.
Denn nur, wenn wir verstehen was Logik ist, so können wir uns überhaupt erst befähigt sehen sie zu verwenden, und das auch in angemessener Art und Weise zu tun.
Logik ist zunächst eine Methode zur Lösung eines Problems im Sinne einer kognitiven, meist komplexeren Fragestellung. Im weitesten Kontext also eine Art Algorithmus, vergleichbar mit einem allgemeinen Bauplan. Und dies ist bereits die wichtigste Erkenntnis. Logik ist nicht mehr und nicht weniger als ein Weg zu einer Lösung oder einem gewissen Lösungsraum von nach der Methode akzeptablen Lösungen. Eine jede Logik basiert aber auch auf Annahmen und folgt in der Regel einem prädefinierten, übergeordneten Paradigma, entlang derer ein Sachverhalt oder ein Verhalten daraufhin untersucht und abgeglichen wird, ob er der entsprechenden Logik folgt. Variiert man die Prämissen, so erhält man eine andere Definition dafür, was in dem entsprechenden Kontext logisch ist und was nicht. Es gibt also eine Vielzahl an Logiken und, noch viel wichtiger, eine Logik kann falsch sein. Logik kann folglich niemals mehr sein als eine Methode zur Lösung von einfachen Fragestellungen, schon gar nicht Entscheidungskriterium für elementar wichtige Entscheidungen. Ihre Eignung dafür übertrifft dabei nicht jene des gemeinen Vorurteils.
Kapitel II: Lösung und Lösungsraum
Erneut steht eine Frage am Anfang des Kapitels.
Was ist eine Lösung?
Eine Lösung ist einfach nur eine mögliche Antwort auf ein Problem, wodurch das Problem im Endeffekt seine Interpretation als Problem verliert und dafür eine neue Interpretation als operationaler Zusammenhang gewinnt. Dabei bedeutet aber das Vorliegen eines Problems ohne Lösung keineswegs, dass es keine Lösung gibt, zumindest nicht notwendigerweise. Und es wird noch komplizierter, erneut mit einer Frage.
Was ist ein Lösungsraum?
Ein Lösungsraum ist die Summe aller Lösungen für ein Problem. Dabei kann man theoretisch eine Einschränkung hinsichtlich des Einbezugs noch nicht gefundener Lösungen vornehmen, das ist aber gar nicht nötig und vielleicht sogar schädlich. Speziell dann, wenn man den Lösungsraum für ein Individuum angeben will und nicht für die gesamte Menschheit.
Genau hier liegt dann auch das Problem bei der Lösungsbetrachtung. Die meisten Individuen grenzen ihren eigenen Lösungsraum für sich selbst ein. Dabei fallen nicht nur gefundene Lösungen anderer Individuen heraus, sondern ebenfalls jene Lösungen, die das Individuum anhand seiner Informationsausstattung selbst hätte finden können, jedoch anhand falscher Beschränkungen des privaten Lösungsraumes von vorneherein übergeht.
Dadurch wird das Denken beschränkt. Das Individuum beschränkt sich also selbst in der Reichweite seines eigenen Verstandes. In der Regel geschieht dies, da schlechte Lösungen gar nicht erst einer Betrachtung unterzogen, sondern vielmehr anhand des Unterlassens bestimmter Gedankengänge, aufgrund gewählter persönlicher Prämissen, bereits bei der Grobselektion verworfen werden. Doch kann man ein Problem nur dann ausreichend erfassen und eine mögliche Lösung analysieren, wenn man die maximal mögliche Anzahl an unterschiedlichen Lösungen kennt, egal ob umsetzbar, kompliziert, gut oder schlecht.
Ein einfaches aber drastisches Beispielveranschaulicht die Situation recht adäquat. Wenn das Problem ist, dass die Hälfte der Bevölkerung Australiens eine tödliche Krankheit hat, man aber nicht herausfinden kann, welche einzelnen Personen es sind, da die Inkubationszeit, während der aber bereits Ansteckungsgefahr besteht, sehr lange ist. Wie soll dann die restliche Menschheit davor geschützt werden? Nun wäre vermutlich das Vorschlagen einer Quarantäne für den gesamten Kontinent einer der ersten Lösungsansätze. Jedoch ist diese Lösung mit Sicherheit nicht perfekt, bei einer solch großen Zahl an Menschen wäre ein Übergreifen auf andere Gebiete nicht ausgeschlossen. Dennoch ist es eine vergleichbar passable Lösung, mit einer guten Umsetzbarkeit. Anhand dessen werden oft bestimmte Lösungen gar nicht erst in Betracht gezogen. Eine viel sicherere Lösung für den Rest der Welt, also besser hinsichtlich der Zielsetzung „Lösung des Problems“, wäre die komplette Auslöschung der kontinentalen Bevölkerung mit nuklearen Waffen, die überdies noch weitere, in der Natur vorkommende Keimquellen ausschalten würden.
Selbstverständlich ist diese Lösung schlecht.
Sie ist nicht nur unmenschlich, sondern geht auch mit unfassbar hohen und unverhältnismäßigen Exposition gegenüber Kollateralschäden einher. Dennoch ist es eine Lösung im Lösungsraum und sie gar nicht erst durchzudenken setzt dem Verstand grenzen, die nicht nötig und oft auch sehr hinderlich sind. Dies bekommt vor allem dann Gewicht, wenn man diese Erkenntnis auf das allgemeine Problemlösungsverhalten der Menschen überträgt.
Kapitel III: Objektivität
Und erneut: Was ist Objektivität?
Objektivität ist jene Betrachtungsebene, die frei von jeglichem subjektiven Einfluss ist. Auf ihr basierende Ergebnisse sind, unabhängig von diesen, von allgemeingültigen Charakter.
Doch damit ist sie eine Quasi-Utopie. Denn es ist von höchster Schwierigkeit zu differenzieren, was subjektiv ist und was nicht. Schließlich sind auch gängige, einer objektiven Denkweise zugerechnete, Leitbilder, wie die Vernunft, entweder anfällig für eine Subjektivierung oder gar von subjektivem Ursprung.
Man erkennt bereits die Schwierigkeit bei der Wahrung der Objektivität. Sie erfordert ein hohes Maß an Hingabe und kognitive Kapazität um nicht dem Trugschluss einer falschen Objektivität zu erliegen.
Dennoch ist die Macht der objektiven Problemlösung und Fallbetrachtung groß. Objektiv gefundene Lösungen und Antworten unterliegen keiner zeitlichen, kulturellen oder situationsgetriebenen Vergänglichkeit. Ihre Richtigkeit ist (nahezu) absolut. Lediglich vor dem Irrtum, als Ausdruck menschlicher Unvollkommenheit beim Denkprozess, ist keine Form der menschlichen Entscheidungsfindung gefeit.
Besonders deutlich wird die Stärke der Objektivität als Entscheidungskriterium, wenn man ein Beispiel betrachtet: Person A verurteilt Person B mit Eigenschaft X aufgrund eigener (subjektiver) Maßstäbe, die den aktuellen Status Quo der gesellschaftlichen Werte, nämlich eine faktische Schlechterstellung bezüglich Eigenschaft X, widerspiegeln. Person B klagt diese Situation an und fordert eine Umorientierung der gesamten Gesellschaft und folglich das Ende der objektiv falschen Ungleichbehandlung. Person A wiederum wirft Person B vor, diese Forderung nur zu stellen, da deren Folgen im subjektiven Interesse von Person B lägen. Die Argumentation ist folglich, dass die Richtigkeit des Status Quo nur deshalb angegriffen wird, weil situativ subjektive Umstände bei einer Teilmenge vorliegen. Darin zeigt sich die Perversion der Subjektivität oder vielmehr der kulturellen Manifestation subjektiver Prägung. Die faktisch inhaltliche Entfernung des Status Quo von sowie die relative Nähe der Herausfordernden Position zur objektiven Position, bestimmen die subjektive Interpretation der beurteilenden Individuen hinsichtlich der Situation.
Aber: Wenn etwas objektiv richtig ist, spielen subjektive Tatbestände keine Rolle. Völlig unabhängig von der Nutzenattribution des, durch die Objektivität zwingend gewordenen, Handlungsrahmens. Die Benachteiligung von B ist falsch, die Umorientierung zur objektiv korrekten Lösung ist richtig, unabhängig von der Person des Kritikers oder der Mengenverhältnisse derer, die durch eine Neuregelung profitieren zu denjenigen, die bei Beibehaltung des Status Quo bessergestellt bleiben würden. Die Objektivität als Maßstab ist folglich robust gegen das Konzept der Mehrheitsmeinung.
Kapitel 4: Denken
Der Fehler, den Person A im dargelegten Beispiel begeht, ist allgegenwärtig, denn die meisten Menschen legen hier das übliche Denkmuster des Menschen an den Tag. Die Entscheidungsfindung anhand von Paradigmen und Prämissen (auf Makroebene), also vordefinierter Entscheidungen für bestimmte Situationen und Fragenstellungen. Das klassische Schubladendenken. Wenn man es so einfach (und nicht ganz präzise) sagen will.
Diese Art zu denken ist praktisch und sinnvoll. Der Mensch hat nicht ohne Grund gelernt auf diese Art Entscheidungen zu treffen. Wiederholt auftretende Entscheidungsprobleme werden automatisiert, die kognitive Auslastung des Gehirns wird von unnötigen Prozessen befreit und der Verstand im Allgemeinen entlastet. Das ist ein sehr gut funktionierender Algorithmus. Exzellent geeignet, wenn es darum geht ob man eine Farbe schön findet oder gern auf Wochenmärkte geht, bzw. wenn man den einen, noch unbekannten Wochenmarkt nicht mag, weil man einen gänzlich anderen nervig fand. Problematisch wird es, und ist es faktisch in unseren heutigen Gesellschaften, wenn die Menschen dieses Schema aus dem Alltag in jene Ebenen tragen, die elementar wichtige Fragestellungen enthalten. Plötzlich wird aus bequem gefährlich und aus richtig falsch. Das Problem ist, dass unsere aktuelle Welt dermaßen voll und überladen an, teilweise sehr alten, Prämissen und Paradigmen ist, dass es teilweise schon schwer fällt sie überhaupt zu erkennen. Geschweige denn sich von ihnen frei zu machen, also einen Gedankengang zu führen, der diese Prämissen und Paradigmen ignoriert, am besten gar nicht kennt. Die größte Schwierigkeit liegt jedoch darin, sich von allen falschen Voreinstellungen gleichzeitig frei zu machen und dennoch den Weitblick dafür zu behalten, dass man neue Prämissen und Orientierungspunkte, aus der Objektivität heraus, schaffen muss. Schließlich ist es langfristig nützlich gewisse Entscheidungen automatisieren zu können, nur eben nicht auf den Grundlagen, wie es heute geschieht. Eine regelmäßige Eigenkontrolle und Neudefinition der übergeordneten Prämissen ist dabei ein elementares Werkzeug im Rahmen einer ehrlichen Entscheidungsfindung.
Kapitel 5: Reduktion
Nun stellt sich noch eine Frage. Was wäre eine Art des Denkens, die dem Potenzial (und den natürlichen Grenzen) des menschlichen Intellekts gerecht werden kann?
Die polemische Antwort ist: Nicht so wie es aktuell praktisch alle tun.
Die ehrliche Antwort ist: Jeder für sich.
Denn es ist tatsächlich so, dass das für sich selbst Denken eine der größten Hürden darstellt, hin zu einer Welt mit sinnvolleren Werten und weniger unsinnigen Denkmustern und Altlasten der vergangenen Jahrtausende.
Ein sinnvoller Ansatz erscheint dabei die Reduktion zu sein. Sie ermöglicht, dass jedes Individuum für sich zu einer Entscheidung gelangt, ohne dass eine bestimmte Art des Gedankengangs oder Pfadabhängigkeiten dies behindern. Reduktion meint dabei, in diesem Zusammenhang, das Zerlegen des betrachteten Problems und das Zurückgehen zum frühesten Ursprungspunkt. Hierbei ist es durchaus üblich, dass man zur Betrachtung des Grundgerüsts eines Problems zunächst dieselbe Vorgehensweise bei einer vorgelagerten Fragestellung anwenden muss. Hier zeigt sich auch, wieso gerade auch eine reduktive Denkweise sehr anstrengend ist. Der Gedankengang erfordert Zeit und zwingt einen zu einer tatsächlichen Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von wichtigen Fragestellungen, die zuvor oftmals einfach abgetan oder auf mittlerer oder finaler Ebene, unter Verwendung von Prämissen oder Entscheidungsschablonen, abgekürzt entschieden wurden.
Vielleicht hilft ein Beispiel dabei das eben sehr abstrakt umrissene deutlicher werden zu lassen. Betrachten wir ein sehr aktuelles und alltägliches Problem.
Sollte man Fleisch essen?
Bei dieser Fragestellung gibt es die verschiedensten Ansätze und Meinungen. Die Lösung ist in jedem Fall nicht offensichtlich, die Entscheidung weitaus weniger binär als sie auf den ersten Blick erscheint. Zudem ist diese Frage, wie die meisten alltäglichen Fragestellungen, dadurch gekennzeichnet, dass nahezu jeder eine Meinung dazu hat. Die meisten dieser Meinungen sind jedoch Ergebnis stark abgekürzter Denkprozesse und damit von eingeschränkter Validität hinsichtlich ihrer Richtigkeit und dem korrespondierenden Anspruch darauf.
Denkt man reduktiv über das Problem nach, so bemerkt man schnell, dass eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Problematik automatisch die, ebenfalls reduktive, Erörterung der Frage der Wertigkeit des Lebens von Schlachttieren und damit wiederum von Tieren im Allgemeinen bedingt. Dieses Beispiel zeigt, warum eine Fragestellung selten für sich alleine betrachtet werden kann. Weitere Fragen, die im Kontext des Beispielproblems vermutlich zu erörtern wären, sind das Verhältnis des Menschen zu seinem Körper, die Rolle des Menschen in der Natur als Ergebnis seiner evolutionären Entwicklung oder die Abstraktion des Tieres Mensch zu der Menge aller anderen Tiere hinsichtlich der Zuschreibung bestimmter Rechte oder Privilegien.
Dabei zeigt sich auch, dass es vermutlich oft nötig sein wird, bei aller Reduktion und Objektivität, einige grundlegende Prämissen festzulegen. Diese Prämissen sind dabei natürlich nicht immer alle bei jeder Fragestellung relevant und vor allem werden sie individuell von Mensch zu Mensch mehr oder minder stark unterschiedlich ausfallen. Wichtig ist dabei, die Prämissen so minimalistisch und grundlegend wie möglich zu fassen. Eine mögliche und für viele Menschen mit Sicherheit wichtige Prämisse könnte sein, dass das Leben eines Menschen grundsätzlich wertvoll ist, also überhaupt Wert irgendeiner Art besitzt, ohne diesen Wert zunächst genauer zu definieren. Die ex-ante Festlegung dieses Grundgerüsts eines Prämissen-Sets, ohne dabei die Prämissen selbst reduktiv objektiv abzuleiten, ist insofern sinnvoll und wichtig, als man dadurch auf einem sehr frühen Level einen Anfangspunkt setzt und damit verhindert die eigentliche Problemlösungsorientierung durch ein Verstricken in Grundsätzlichkeiten zu ersetzen. Dennoch bleibt festzuhalten. Ein Denkansatz bei dem das reduktive Vorgehen gänzlich auf das Setzen von Basisprämissen verzichtet wäre der Logik des Ansatzes folgen am besten geeignet die eigene Entscheidungsfindung zu fundieren.
Kapitel 6: Fazit
Zusammenfassend meint reduktive Objektivität also nichts anderes als das selbstständige Denken eines Problems von seinem Ursprung aus, ohne dabei vorgefertigte Paradigmen zu bedienen oder übermäßig subjektive Parameter die Entscheidung verfälschen zu lassen. Geht man die Lösung wichtiger Probleme so an, man wird nicht nur zu neuen und teilweise verstörend differenzierten Entscheidungen über Sachverhalte gelangen, sondern auch das eigene Verhalten in bestimmten Bereichen überdenken müssen. Auch wenn es wehtut.
Was ist Logik?
Diese Frage ist zentraler und weniger trivial als sie zunächst erscheinen mag.
Denn nur, wenn wir verstehen was Logik ist, so können wir uns überhaupt erst befähigt sehen sie zu verwenden, und das auch in angemessener Art und Weise zu tun.
Logik ist zunächst eine Methode zur Lösung eines Problems im Sinne einer kognitiven, meist komplexeren Fragestellung. Im weitesten Kontext also eine Art Algorithmus, vergleichbar mit einem allgemeinen Bauplan. Und dies ist bereits die wichtigste Erkenntnis. Logik ist nicht mehr und nicht weniger als ein Weg zu einer Lösung oder einem gewissen Lösungsraum von nach der Methode akzeptablen Lösungen. Eine jede Logik basiert aber auch auf Annahmen und folgt in der Regel einem prädefinierten, übergeordneten Paradigma, entlang derer ein Sachverhalt oder ein Verhalten daraufhin untersucht und abgeglichen wird, ob er der entsprechenden Logik folgt. Variiert man die Prämissen, so erhält man eine andere Definition dafür, was in dem entsprechenden Kontext logisch ist und was nicht. Es gibt also eine Vielzahl an Logiken und, noch viel wichtiger, eine Logik kann falsch sein. Logik kann folglich niemals mehr sein als eine Methode zur Lösung von einfachen Fragestellungen, schon gar nicht Entscheidungskriterium für elementar wichtige Entscheidungen. Ihre Eignung dafür übertrifft dabei nicht jene des gemeinen Vorurteils.
Kapitel II: Lösung und Lösungsraum
Erneut steht eine Frage am Anfang des Kapitels.
Was ist eine Lösung?
Eine Lösung ist einfach nur eine mögliche Antwort auf ein Problem, wodurch das Problem im Endeffekt seine Interpretation als Problem verliert und dafür eine neue Interpretation als operationaler Zusammenhang gewinnt. Dabei bedeutet aber das Vorliegen eines Problems ohne Lösung keineswegs, dass es keine Lösung gibt, zumindest nicht notwendigerweise. Und es wird noch komplizierter, erneut mit einer Frage.
Was ist ein Lösungsraum?
Ein Lösungsraum ist die Summe aller Lösungen für ein Problem. Dabei kann man theoretisch eine Einschränkung hinsichtlich des Einbezugs noch nicht gefundener Lösungen vornehmen, das ist aber gar nicht nötig und vielleicht sogar schädlich. Speziell dann, wenn man den Lösungsraum für ein Individuum angeben will und nicht für die gesamte Menschheit.
Genau hier liegt dann auch das Problem bei der Lösungsbetrachtung. Die meisten Individuen grenzen ihren eigenen Lösungsraum für sich selbst ein. Dabei fallen nicht nur gefundene Lösungen anderer Individuen heraus, sondern ebenfalls jene Lösungen, die das Individuum anhand seiner Informationsausstattung selbst hätte finden können, jedoch anhand falscher Beschränkungen des privaten Lösungsraumes von vorneherein übergeht.
Dadurch wird das Denken beschränkt. Das Individuum beschränkt sich also selbst in der Reichweite seines eigenen Verstandes. In der Regel geschieht dies, da schlechte Lösungen gar nicht erst einer Betrachtung unterzogen, sondern vielmehr anhand des Unterlassens bestimmter Gedankengänge, aufgrund gewählter persönlicher Prämissen, bereits bei der Grobselektion verworfen werden. Doch kann man ein Problem nur dann ausreichend erfassen und eine mögliche Lösung analysieren, wenn man die maximal mögliche Anzahl an unterschiedlichen Lösungen kennt, egal ob umsetzbar, kompliziert, gut oder schlecht.
Ein einfaches aber drastisches Beispielveranschaulicht die Situation recht adäquat. Wenn das Problem ist, dass die Hälfte der Bevölkerung Australiens eine tödliche Krankheit hat, man aber nicht herausfinden kann, welche einzelnen Personen es sind, da die Inkubationszeit, während der aber bereits Ansteckungsgefahr besteht, sehr lange ist. Wie soll dann die restliche Menschheit davor geschützt werden? Nun wäre vermutlich das Vorschlagen einer Quarantäne für den gesamten Kontinent einer der ersten Lösungsansätze. Jedoch ist diese Lösung mit Sicherheit nicht perfekt, bei einer solch großen Zahl an Menschen wäre ein Übergreifen auf andere Gebiete nicht ausgeschlossen. Dennoch ist es eine vergleichbar passable Lösung, mit einer guten Umsetzbarkeit. Anhand dessen werden oft bestimmte Lösungen gar nicht erst in Betracht gezogen. Eine viel sicherere Lösung für den Rest der Welt, also besser hinsichtlich der Zielsetzung „Lösung des Problems“, wäre die komplette Auslöschung der kontinentalen Bevölkerung mit nuklearen Waffen, die überdies noch weitere, in der Natur vorkommende Keimquellen ausschalten würden.
Selbstverständlich ist diese Lösung schlecht.
Sie ist nicht nur unmenschlich, sondern geht auch mit unfassbar hohen und unverhältnismäßigen Exposition gegenüber Kollateralschäden einher. Dennoch ist es eine Lösung im Lösungsraum und sie gar nicht erst durchzudenken setzt dem Verstand grenzen, die nicht nötig und oft auch sehr hinderlich sind. Dies bekommt vor allem dann Gewicht, wenn man diese Erkenntnis auf das allgemeine Problemlösungsverhalten der Menschen überträgt.
Kapitel III: Objektivität
Und erneut: Was ist Objektivität?
Objektivität ist jene Betrachtungsebene, die frei von jeglichem subjektiven Einfluss ist. Auf ihr basierende Ergebnisse sind, unabhängig von diesen, von allgemeingültigen Charakter.
Doch damit ist sie eine Quasi-Utopie. Denn es ist von höchster Schwierigkeit zu differenzieren, was subjektiv ist und was nicht. Schließlich sind auch gängige, einer objektiven Denkweise zugerechnete, Leitbilder, wie die Vernunft, entweder anfällig für eine Subjektivierung oder gar von subjektivem Ursprung.
Man erkennt bereits die Schwierigkeit bei der Wahrung der Objektivität. Sie erfordert ein hohes Maß an Hingabe und kognitive Kapazität um nicht dem Trugschluss einer falschen Objektivität zu erliegen.
Dennoch ist die Macht der objektiven Problemlösung und Fallbetrachtung groß. Objektiv gefundene Lösungen und Antworten unterliegen keiner zeitlichen, kulturellen oder situationsgetriebenen Vergänglichkeit. Ihre Richtigkeit ist (nahezu) absolut. Lediglich vor dem Irrtum, als Ausdruck menschlicher Unvollkommenheit beim Denkprozess, ist keine Form der menschlichen Entscheidungsfindung gefeit.
Besonders deutlich wird die Stärke der Objektivität als Entscheidungskriterium, wenn man ein Beispiel betrachtet: Person A verurteilt Person B mit Eigenschaft X aufgrund eigener (subjektiver) Maßstäbe, die den aktuellen Status Quo der gesellschaftlichen Werte, nämlich eine faktische Schlechterstellung bezüglich Eigenschaft X, widerspiegeln. Person B klagt diese Situation an und fordert eine Umorientierung der gesamten Gesellschaft und folglich das Ende der objektiv falschen Ungleichbehandlung. Person A wiederum wirft Person B vor, diese Forderung nur zu stellen, da deren Folgen im subjektiven Interesse von Person B lägen. Die Argumentation ist folglich, dass die Richtigkeit des Status Quo nur deshalb angegriffen wird, weil situativ subjektive Umstände bei einer Teilmenge vorliegen. Darin zeigt sich die Perversion der Subjektivität oder vielmehr der kulturellen Manifestation subjektiver Prägung. Die faktisch inhaltliche Entfernung des Status Quo von sowie die relative Nähe der Herausfordernden Position zur objektiven Position, bestimmen die subjektive Interpretation der beurteilenden Individuen hinsichtlich der Situation.
Aber: Wenn etwas objektiv richtig ist, spielen subjektive Tatbestände keine Rolle. Völlig unabhängig von der Nutzenattribution des, durch die Objektivität zwingend gewordenen, Handlungsrahmens. Die Benachteiligung von B ist falsch, die Umorientierung zur objektiv korrekten Lösung ist richtig, unabhängig von der Person des Kritikers oder der Mengenverhältnisse derer, die durch eine Neuregelung profitieren zu denjenigen, die bei Beibehaltung des Status Quo bessergestellt bleiben würden. Die Objektivität als Maßstab ist folglich robust gegen das Konzept der Mehrheitsmeinung.
Kapitel 4: Denken
Der Fehler, den Person A im dargelegten Beispiel begeht, ist allgegenwärtig, denn die meisten Menschen legen hier das übliche Denkmuster des Menschen an den Tag. Die Entscheidungsfindung anhand von Paradigmen und Prämissen (auf Makroebene), also vordefinierter Entscheidungen für bestimmte Situationen und Fragenstellungen. Das klassische Schubladendenken. Wenn man es so einfach (und nicht ganz präzise) sagen will.
Diese Art zu denken ist praktisch und sinnvoll. Der Mensch hat nicht ohne Grund gelernt auf diese Art Entscheidungen zu treffen. Wiederholt auftretende Entscheidungsprobleme werden automatisiert, die kognitive Auslastung des Gehirns wird von unnötigen Prozessen befreit und der Verstand im Allgemeinen entlastet. Das ist ein sehr gut funktionierender Algorithmus. Exzellent geeignet, wenn es darum geht ob man eine Farbe schön findet oder gern auf Wochenmärkte geht, bzw. wenn man den einen, noch unbekannten Wochenmarkt nicht mag, weil man einen gänzlich anderen nervig fand. Problematisch wird es, und ist es faktisch in unseren heutigen Gesellschaften, wenn die Menschen dieses Schema aus dem Alltag in jene Ebenen tragen, die elementar wichtige Fragestellungen enthalten. Plötzlich wird aus bequem gefährlich und aus richtig falsch. Das Problem ist, dass unsere aktuelle Welt dermaßen voll und überladen an, teilweise sehr alten, Prämissen und Paradigmen ist, dass es teilweise schon schwer fällt sie überhaupt zu erkennen. Geschweige denn sich von ihnen frei zu machen, also einen Gedankengang zu führen, der diese Prämissen und Paradigmen ignoriert, am besten gar nicht kennt. Die größte Schwierigkeit liegt jedoch darin, sich von allen falschen Voreinstellungen gleichzeitig frei zu machen und dennoch den Weitblick dafür zu behalten, dass man neue Prämissen und Orientierungspunkte, aus der Objektivität heraus, schaffen muss. Schließlich ist es langfristig nützlich gewisse Entscheidungen automatisieren zu können, nur eben nicht auf den Grundlagen, wie es heute geschieht. Eine regelmäßige Eigenkontrolle und Neudefinition der übergeordneten Prämissen ist dabei ein elementares Werkzeug im Rahmen einer ehrlichen Entscheidungsfindung.
Kapitel 5: Reduktion
Nun stellt sich noch eine Frage. Was wäre eine Art des Denkens, die dem Potenzial (und den natürlichen Grenzen) des menschlichen Intellekts gerecht werden kann?
Die polemische Antwort ist: Nicht so wie es aktuell praktisch alle tun.
Die ehrliche Antwort ist: Jeder für sich.
Denn es ist tatsächlich so, dass das für sich selbst Denken eine der größten Hürden darstellt, hin zu einer Welt mit sinnvolleren Werten und weniger unsinnigen Denkmustern und Altlasten der vergangenen Jahrtausende.
Ein sinnvoller Ansatz erscheint dabei die Reduktion zu sein. Sie ermöglicht, dass jedes Individuum für sich zu einer Entscheidung gelangt, ohne dass eine bestimmte Art des Gedankengangs oder Pfadabhängigkeiten dies behindern. Reduktion meint dabei, in diesem Zusammenhang, das Zerlegen des betrachteten Problems und das Zurückgehen zum frühesten Ursprungspunkt. Hierbei ist es durchaus üblich, dass man zur Betrachtung des Grundgerüsts eines Problems zunächst dieselbe Vorgehensweise bei einer vorgelagerten Fragestellung anwenden muss. Hier zeigt sich auch, wieso gerade auch eine reduktive Denkweise sehr anstrengend ist. Der Gedankengang erfordert Zeit und zwingt einen zu einer tatsächlichen Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von wichtigen Fragestellungen, die zuvor oftmals einfach abgetan oder auf mittlerer oder finaler Ebene, unter Verwendung von Prämissen oder Entscheidungsschablonen, abgekürzt entschieden wurden.
Vielleicht hilft ein Beispiel dabei das eben sehr abstrakt umrissene deutlicher werden zu lassen. Betrachten wir ein sehr aktuelles und alltägliches Problem.
Sollte man Fleisch essen?
Bei dieser Fragestellung gibt es die verschiedensten Ansätze und Meinungen. Die Lösung ist in jedem Fall nicht offensichtlich, die Entscheidung weitaus weniger binär als sie auf den ersten Blick erscheint. Zudem ist diese Frage, wie die meisten alltäglichen Fragestellungen, dadurch gekennzeichnet, dass nahezu jeder eine Meinung dazu hat. Die meisten dieser Meinungen sind jedoch Ergebnis stark abgekürzter Denkprozesse und damit von eingeschränkter Validität hinsichtlich ihrer Richtigkeit und dem korrespondierenden Anspruch darauf.
Denkt man reduktiv über das Problem nach, so bemerkt man schnell, dass eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Problematik automatisch die, ebenfalls reduktive, Erörterung der Frage der Wertigkeit des Lebens von Schlachttieren und damit wiederum von Tieren im Allgemeinen bedingt. Dieses Beispiel zeigt, warum eine Fragestellung selten für sich alleine betrachtet werden kann. Weitere Fragen, die im Kontext des Beispielproblems vermutlich zu erörtern wären, sind das Verhältnis des Menschen zu seinem Körper, die Rolle des Menschen in der Natur als Ergebnis seiner evolutionären Entwicklung oder die Abstraktion des Tieres Mensch zu der Menge aller anderen Tiere hinsichtlich der Zuschreibung bestimmter Rechte oder Privilegien.
Dabei zeigt sich auch, dass es vermutlich oft nötig sein wird, bei aller Reduktion und Objektivität, einige grundlegende Prämissen festzulegen. Diese Prämissen sind dabei natürlich nicht immer alle bei jeder Fragestellung relevant und vor allem werden sie individuell von Mensch zu Mensch mehr oder minder stark unterschiedlich ausfallen. Wichtig ist dabei, die Prämissen so minimalistisch und grundlegend wie möglich zu fassen. Eine mögliche und für viele Menschen mit Sicherheit wichtige Prämisse könnte sein, dass das Leben eines Menschen grundsätzlich wertvoll ist, also überhaupt Wert irgendeiner Art besitzt, ohne diesen Wert zunächst genauer zu definieren. Die ex-ante Festlegung dieses Grundgerüsts eines Prämissen-Sets, ohne dabei die Prämissen selbst reduktiv objektiv abzuleiten, ist insofern sinnvoll und wichtig, als man dadurch auf einem sehr frühen Level einen Anfangspunkt setzt und damit verhindert die eigentliche Problemlösungsorientierung durch ein Verstricken in Grundsätzlichkeiten zu ersetzen. Dennoch bleibt festzuhalten. Ein Denkansatz bei dem das reduktive Vorgehen gänzlich auf das Setzen von Basisprämissen verzichtet wäre der Logik des Ansatzes folgen am besten geeignet die eigene Entscheidungsfindung zu fundieren.
Kapitel 6: Fazit
Zusammenfassend meint reduktive Objektivität also nichts anderes als das selbstständige Denken eines Problems von seinem Ursprung aus, ohne dabei vorgefertigte Paradigmen zu bedienen oder übermäßig subjektive Parameter die Entscheidung verfälschen zu lassen. Geht man die Lösung wichtiger Probleme so an, man wird nicht nur zu neuen und teilweise verstörend differenzierten Entscheidungen über Sachverhalte gelangen, sondern auch das eigene Verhalten in bestimmten Bereichen überdenken müssen. Auch wenn es wehtut.